Künstler-Nekropole

Von Künstlerinnen und Künstlern gestaltete Grabmäler im Habichtswald.

Kunst im öffentlichen Raum

Die Künstler-Nekropole liegt im Habichtswald am Stadtrand von Kassel, nahe dem Bergpark Wilhelmshöhe. Initiiert wurde sie von dem Künstler Harry Kramer, der als Professor an der Kunsthochschule Kassel lehrte und Teilnehmer der documenta III war.

Rund um den Blauen See, einen stillgelegten Steinbruch, errichten Künstlerinnen und Künstler von „documenta-Rang“ zu Lebzeiten ihre eigenen Grabmäler und lassen sich später dort bestatten. Geplant sind insgesamt 40 Grabmäler. Bedingung ist, dass der Wald des Landschaftsschutzgebietes nicht gestört wird und die Grabmäler sich selbst überlassen bleiben. Harry Kramer sah in dem Projekt Nekropole eine neue Form der Kunst im öffentlichen Raum und keinen elitären Friedhof. Er selbst hat auf ein Grabmal in der Nekropole verzichtet und ist dort 1997 anonym bestattet worden.

Träger der Nekropole ist eine Stiftung, die aus dem Privatvermögen Harry Kramers hervorgeht. Ein Stiftungsrat berät über Künstlerinnen und Künstler, die eingeladen werden, ihr Grabmal in der Nekropole zu errichten. Ein etwa 1,5 km langer Wanderweg (Wegzeichen 22) führt vom Parkplatz Bergfreiheit zu den Grabmalen rund um den Blauen See.

Initiator und Stifter

Harry Kramer in Las Vegas 1965

Harry Kramer

* 25.01.1925 † 20.02.1997
Finanziert wird die Nekropole durch eine Stiftung, die aus dem Privatvermögen Harry Kramers hervorgeht. Träger der Stiftung ist die Stadt Kassel. Ein Stiftungsrat berät über Künstlerinnen und Künstler, die eingeladen werden, ihr Grabmal in der Nekropole zu errichten.

 


Realisierte Grabmale

Bislang wurden folgende Grabmale realisiert:

E.R. Nele

*1932

Der Gang (2022)

Die Plastik besteht aus zwei Edelstahlhäusern, die sich links und rechts des Weges zum blauen See neigen. Verbunden sind diese über vier Meter hohen Häuser durch ein langes Verbindungsrohr, auf dem eine Figur mit einer Balancierstange läuft. Diese bewegt sich im Balance-Akt, zugleich öffnet sich ein „Tor“, das den Blick zum Blauen See öffnet und zum Durchschreiten einlädt.  Pressetext vom 21. Juni 2022

Gernot Minke

*1937

Lehm-Kuppel (2021)

Die Kuppel ist eine begehbare Skulptur. Der Boden vertieft sich zur Mitte hin, der Raum hat somit keine horizontale Fläche, sodass sich das Gefühl der Geborgenheit im Raum verstärkt. Die Kuppel weist oben eine große runde Öffnung auf. Durch den speziellen Querschnitt des Gewölbes mit abnehmenden Krümmungsradien sowie durch die abgerundeten Stirnflächen der geneigt gemauerten Lehmsteine und die vertieften Fugen entsteht eine besondere Akustik.

Rune Mields

*1935

La vita corre come rivo fluente (1992)

Das Leben läuft wie ein fließender Fluss
Mathematik wird dem Betrachter sichtbar, wenn er den Buchstaben, die alle Primzahlen zwischen 1 und 100 markieren, folgt.


Timm Ulrichs

*31.03.1940

Kopfstehendes Hohlkörper-Denkmal II (1972/80/90)

Timm Ulrichs: auf der Unterseite der Erdoberfläche
Kopfüber in den Waldboden hat der "Totalkünstler" Timm Ulrichs seinen Körperabguss aus Bronze eingesenkt. Zu sehen sind nur die Fußabdrücke seiner Hohlfigur, die auch die Asche Ulrichs’ aufnehmen wird.


Fritz Schwegler

*07.05.1935 † 03.06.2014

EN 6355 (1993)

Fast ein wenig traditionell, aber ironisch verschoben wirkt der Sarkophag mit der geheimnisvollen Inschrift „Lebensmüde? – Abulvenz!“ Schwegler spricht seine eigene Sprache. Eines seiner Urnotizbücher, in dem er den Sarkophag skizzierte, legte Schwegler mit anderen Kunstgegenständen als „Grabbeigabe“ in seine zukünftige Ruhestätte.


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Werner Ruhnau

*11.04.1922 † 06.03.2015

Spielraum (1995)

Vorbild für sein Monument war das Theater, der Festspielplatz. Ruhnau wünschte sich, dass auch seine Grabstätte als Ort des Festes und Spieles genutzt wird.


Heinrich Brummack

*19.01.1936 † 21.02.2018

Vogeltränke (1997)

Das lebenspendende Element Wasser bestimmt das Grabmal von Heinrich Brummack. Er lädt die Vögel dazu ein, aus der Granitschale zu trinken, die auf seinen zwei Sarkophagen ruht.


Karl Oskar Blase

*24.03.1925 † 27.12.2016

Momentum (2001)

Momentum – der Augenblick in Bewegung und im Wechsel der Zeiten. Das Auge, nach innen und außen gerichtet, Geist und Materie gleichermaßen erfassend.


Ugo Dossi

*01.11.1943

Denk-Ort (2003)

Gesichter des Todes, Formen der Seele
Eine schützende Installation aus massiven Stahlplatten. Betretbar. Die Bildmotive sind mit Laser in den Stahl geschnitten und scheinen als "Lichtbilder" durch die Platten. Besucher können die Bildelemente der Installation auf Papier oder Stoff übertragen und mitnehmen. (Ausführung Arnd Binder)


Gunter Demnig

*27.10.1947

Circuitus (2011)

Wenn die Zeit gekommen ist, wird der Kreis geschlossen.
BasisKreis aus BasaltPflastersteinen als archimedische Spirale. SandsteinSockel als Pentagon; 20 cm hoch
WannenZylinder mit Schwimmer aus CortenStahl
Gesamthöhe: vorher: 2,70 Meter nachher: 1,85 Meter
FunktionsPrinzip einer EinlaufWasseruhr


Denkmäler

Zwei Kunstwerke der Nekropole sind keine Grabkunstwerke im eigentlichen Sinn:

Säule aus Tonalit - als Vexierbild bildet Ugo Dossis Kunstwerk die Lücke ab, die der Tod Manfred Schneckenburgers in der Kunstwelt hinterlassen hat.

Gedenkzeichen für Manfred Schneckenburger

Im Jahr 2020 hat der Stiftungsrat der Künstler-Nekropole beschlossen für den 2019 verstorbenen zweifachen documenta‐Leiter Manfred Schneckenburger, der langjähriges Mitglied des Stiftungsrates war, ein Gedenkzeichen zu initiieren. Als Standort der von Ugo Dossi entworfenen Skulptur wurde der Eingangsbereich zur Künstler-Nekropole gewählt.

Das 2021 aufgestellte Denkmal oszilliert zwischen Materiellem und Immateriellen. Unverrückbar aus hellem Granit überragt ein Kelch den einen Meter hohen Sockel mit der Namensinschrift des Verstorbenen. Blickt man auf die Skulptur, erscheint in ihrem Umriss das Profil Manfred Schneckenburgers.

Blalla W. Hallmann - Hommage an Harry Kramer

1996 hatte sich der schwer erkrankte Künstler Blalla W. Hallmann zur Beteiligung an der Nekropole bereiterklärt. Erschüttert vom Tod Harry Kramers im Frühjahr des folgenden Jahres malt Blalla W. Hallmann eine bizarre Hommage an den Nekropolen-Gründer. Sein eigenes Monument kann er nicht mehr verwirklichen, denn zwei Wochen nach Harry Kramer verstirbt auch er. Das "Abendtreffen an der Lichtung – Harrys Abschied", 1998 in die Nekropole aufgenommen, kommt hier somit als Epitaph zum Einsatz.

Blalla W. Hallmann
*23.03.1941 † 02.07.1997