KISS Interview: Selbsthilfegruppe Zwerchfellhochstand

Interview im KISS Selbsthilfemagazin 2015

Wenn Atmen zum Problem wird
Gruppe Zwerchfellhochstand gibt Betroffenen Hilfen an die Hand

Wer einen Zwerchfellhochstand hat, leidet unter Kurzatmigkeit und Atemnot. Eine Therapie gibt es bisher nicht. Heinz Neumann hat mit Hilfe der KISS Kassel die vermutlich bundesweit erste Selbsthilfehilfegruppe für Betroffene ins Leben gerufen. Die Gruppe entwickelte nicht nur einen Flyer, vor allem der Erfahrungsaustausch und die Informationen über mögliche Hilfen unterstützen die Betroffenen darin, die Krankheit körperlich und psychisch zu bewältigen.

Heinz Neumann hat acht Jahre lang an Halbmarathon und auch Marathonläufen teilgenommen. Ende 2012 musste er wegen eines starken Infekts eine Pause einlegen. Jedenfalls glaubte der sportliche Mann, dass es nur eine Pause sein würde. Die Antibiotika halfen gegen den Infekt. Doch dann hechelte er beim Schuhe binden, geriet auf dem Weg vom Büro zum Auto bereits in Atemnot. Seine Kurzatmigkeit verunsicherte ihn sehr. Der Arzt beruhigte, er habe eine kleine Lungenentzündung gehabt. „Das dauert.“ Anfang 2014 kam Heinz Neumann schließlich in eine Lungenfachklinik, die Ärzte stellten die Diagnose Zwerchfellhochstand (siehe Kasten). Eine Krankheit, für die es bisher keine Therapie gibt.

Bundesweit einzige Gruppe
Viele der Betroffenen erlebten dasselbe wie Heinz Neumann: Ärzte vertrösteten sie nach einer Operation oder einem Infekt, wenn sie den Ursachen ihrer Atemnot auf den Grund gehen wollten. „Das gibt sich schon wieder“, hieß es und auch das Umfeld nimmt die Beschwerden oft nicht richtig ernst. Das alles verzögert die richtige Diagnose.

Heinz Neumann gab nach der Diagnose nicht auf. Er griff den Vorschlag des Sozialdienstes in einer Kur auf, eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Die KISS Kassel stand ihm dabei mit Rat und Tat zur Seite. Zum ersten Treffen im Mai 2014 gab es 14 Anfragen von Interessierten, mittlerweile hat sich ein „harter Kern“ von fünf bis sechs Betroffenen herausgebildet. Neumann vermutet, dass es sich bundesweit um die bisher einzige Selbsthilfegruppe zum Zwerchfellhochstand handelt. Zumindest hat er bei seinen Recherchen noch keine weitere entdeckt.

In der Gruppe tauschen sich die Betroffenen aus: Über die Folgen des Zwerchfellhochstandes, der ein- oder beidseitig auftreten kann; über eine morgendliche Schleimbildung, deren Ursache unklar ist; über Blähungen und vor allem über Kurzatmigkeit und Atembeschwerden, die sogar Staubsaugen und Fahrradfahren unmöglich machen können. Der Austausch über Möglichkeiten der Hilfe ist ein weiteres wichtiges Thema. Was kann ich tun, um die Krankheit besser zu bewältigen? Welche Atemtechniken helfen? Ist eine Operation notwendig und hilfreich?

So erzählte ein Gruppenteilnehmer mit beidseitigem Zwerchfellhochstand, wie er mit der möglichen Lebensgefahr aufgrund eines zu stark gesunkenen Sauerstoffgehalts im Blut umgeht. Mit einem kleinen Gerät (Pulsoximeter) lässt sich der Sauerstoffgehalt ganz einfach messen. Wenn notwendig, hilft ihm ein Beatmungsgerät, den Sauerstoffgehalt im Blut auf ein notwendiges Maß zu erhöhen.

Eigenen Flyer entwickelt
Neben dem Austausch sind fachliche Informationen über die Krankheit wichtig. Neumann plant, Fachleute für Vorträge einzuladen, vom Lungenfacharzt bis zum Gesangslehrer. Die Gruppe entwickelte selbst einen Flyer mit Informationen über Zwerchfellhochstand und Tipps und Tricks, was bei Atemnot hilft. „Wir wollten im Herbst vergangenen Jahres beim Lungentag im Rathaus mitmachen und Interessierten etwas an die Hand geben“, schildert der Gruppenleiter. So entwarf der ehemalige technische Redakteur einen Flyer, den die Gruppe diskutierte und ergänzte und der beim Lungenfachtag präsentiert wurde. Das Wissen über Zwerchfellhochstand ist nach Meinung von Neumann lückenhaft. Schon über die Häufigkeit existieren kaum Zahlen. „Vielleicht können wir Forschung anregen oder einen Beitrag dazu leisten“, sagt Neumann. Er hat sich selbst geholfen und wieder angefangen zu laufen. Anfangs sei das hart gewesen, seine Belastungsgrenze war ungewöhnlich weit unten, er schob sie mit seinem Training schrittweise nach oben. Heute sagen ihm Ärzte, er habe den Zwerchfellhochstand durch das Training seiner Brustatmung so gut wie kompensiert. „Das dauert“, sagt er und jeder müsse seine persönliche Belastungsgrenze finden. Heinz Neumann hat sich vorgenommen, dieses Jahr wieder beim Halbmarathon mitzulaufen.

Infos zu Zwerchfellhochstand
Beim Zwerchfellhochstand – auch Zwerchfellparese genannt – ist das Zwerchfell einseitig oder auch beidseitig gelähmt, es wölbt sich in den Brustkorb und engt die Lunge ein. Die Ursachen sind vielfältig, oft wird der Zwerchfellhochstand durch eine Schädigung des Nervs ausgelöst, der das Zwerchfell steuert. Zur Diagnose wird meist der Brustkorb geröngt. Wirksame Therapien gibt es noch nicht, Atem- und Bewegungstherapie kann hilfreich sein.
Quelle: Heinz Neumann

Tipps und Tricks bei Atemnot
• Durch die Nase einatmen, durch den Mund ausatmen.
• Richtiges Treppensteigen: Ein bis zwei Stufen einatmen (bis zwei zählen) und zwei bis drei Stufen ausatmen (bis vier zählen).
• Brustmuskulatur gezielt trainieren – dabei helfen Stange, ein Kilo Hanteln oder das Terraband.
• Sich durch sportliche Aktivitäten immer wieder vorsichtig an die Belastungsgrenze bringen, so dass sie langsam erhöht wird.
• Lippenbremse üben und einsetzen: Beim Ausatmen die Lippen leicht zusammenpressen und die Luft ausstoßen, so dass die Lippen leicht vibrieren.
Quelle: Flyer der Selbsthilfegruppe

Mehr zur Gruppe finden Sie  hier (Öffnet in einem neuen Tab)