KISS Interview: Selbsthilfegruppe Myasthenia Gravis

Interview im KISS Selbsthilfemagazin 2018

Jeder hat seine eigene Myasthenia Gravis
Selbsthilfegruppe zur schweren Muskelschwäche bietet Unterstützung für Betroffene der seltenen Krankheit

Wer an Myasthenia Gravis erkrankt ist, musste im Schnitt rund zweieinhalb Jahre auf die richtige Diagnose der seltenen Erkrankung warten. Die „schwere Muskelschwäche“ wirkt sich auf Gesicht und Nacken, Sprechen, Schlucken, aber auch die restlichen Muskeln im Körper aus. Unter Stress und körperlicher Belastung können sich die Symptome verschlimmern. In Kassel finden Betroffene und Angehörigen in einer Selbsthilfegruppe Hilfe, Austausch und Information.

Gruppenleiterin Claudia Strucken hat Kaffee und Tee gekocht, auch Wasser und Kuchen stehen auf dem Tisch im Josef-Rinald-Raum der KISS. Seit April 2017 leitet sie die Gruppe zu Myasthenia Gravis, zu der Erkrankte aus ganz Nordhessen kommen. Claudia Strucken bekam 2016 die Diagnose, dass sie an der Autoimmunerkrankung leidet. Sie hatte die typischen Symptome: Doppelbilder, hängende Lider und müde Augen und ihr Nacken wurde immer schwerer bewegbar. Sie konnte weder Autofahren noch geradeaus gehen. Bis heute tun ihr Beine und Arme weh.

Als sie wegen hohen Blutdrucks behandelt werden musste und keine Ursache gefunden wurde, verordnete der Arzt Beta-Blocker – was ihren Zustand verschlimmerte, denn dieses Medikament ist für Myasthenia Gravis kontraindiziert. Endlich fand sie einen Neurologen, der die richtige Diagnose stellte. Von dem Moment an ging es für sie bergauf. Sie suchte den Kontakt zur Selbsthilfeorganisation Deutsche Myasthenie Gesellschaft (DMG) in Bremen und sagt heute „die DMG hat mich gerettet.“ Endlich fühlte sie sich verstanden und wurde mit allen notwendigen Informationen versorgt.

Myasthene Krisen
Tückisch ist, dass jeder Erkrankte seine eigene Myasthenia Gravis mit unterschiedlichen Auswirkungen und Symptomen hat. Auf eine gute Phase kann eine plötzliche Krise folgen. Das Leben ist nicht mehr richtig planbar. Für das Umfeld ist diese Achterbahnfahrt schwer nachvollziehbar. So traf Claudia Strucken auf Unverständnis, wenn sie es zeitweise morgens kaum aus dem Bett schaffte. „Die soll sich nicht so anstellen“ war eine häufige Reaktion. Oder „Die hat wohl keinen Bock“. Viele raten zur Bewegung, die bei dieser Krankheit nicht hilft. Die Therapie muss individuell zugeschnitten sein. Deshalb empfiehlt die Gruppenleiterin, in eins der medizinischen Zentren zu gehen, die dort tätigen Ärzte kennen sich mit dieser Krankheit aus. Wichtig ist ihr auch der Notfallpass und die Notfallfibel, ein kleines Heft, in dem alles Notwendige steht und das jeder Patient bei sich haben sollte, da es im Notfall Leben retten kann. Weil so mancher Arzt nur selten mit dieser Krankheit konfrontiert wird, sind diese Unterlagen sehr wichtig.

Nicht im Negativen verharren
Erkrankte oder Angehörige wollen in der Gruppe meist erst einmal ihre Sorgen loswerden. Die Betroffenen tauschen sich über Alltagshilfen aus. Viele Betroffene wüssten nicht genau, was ihnen zusteht. In der Gruppe bekommen sie zahlreiche hilfreiche Informationen. Claudia Strucken bereitet Themen vor oder organisiert Vorträge.

Zum Beispiel zum Thema Reisen mit der Krankheit, auch eine Logopädin wurde bereits eingeladen. Heute hat sie Informationen zum „mündigen Patienten“ vorbereitet. Ihr Anliegen für die Gruppe ist es zu schauen, was trotz Erkrankung noch alles geht. Deshalb macht sie immer wieder Mut, nicht im Negativen zu verharren.

Information zu Myasthenia Gravis
Der Autoimmunerkrankung Myasthenia Gravis liegt eine schwere Muskelschwäche zugrunde. Die Übertragung zwischen Nerv und Muskel ist gestört, bestimmte Rezeptoren (wie für Acetylcholin) werden blockiert. Symptome zu Beginn sind meist Doppelbilder und müde Augen, die Augen sind ungleich weit geöffnet. Die Muskelschwäche kann sich auf Sprechen, Schlucken und Mimik oder Atmen auswirken. Der Kopf fühlt sich schwer an, Oberarm und Schultern, auch die Beine können betroffen sein. Die Beschwerden werden mit Belastung, Anstrengung und Stress schlimmer. Die Krankheit ist nicht heilbar, der Verlauf kann durch Therapie allerdings günstig beeinflusst werden. Myasthenia Gravis gehört mit einer Erkrankung auf 10 000 Personen zu den seltenen Krankheiten.
Quelle: www.dmg-online.de

Bei Myasthenia Gravis werden häufig Antikörper bei den Acethylcholinrezeptoren gefunden. Deshalb kann der elektrische Impuls vom Nerven nicht mehr auf den Muskel übertragen werden, der Muskel wird nicht erregt. Acethylcholin ist der Botenstoff, der zwischen Nerv und Muskel vermittelt, so dass der Reiz weitergetragen wird.
Quelle: Wikipedia

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