Erfahrungsbericht 2017 zum Medien-Projekt in Larissa

Wie haben die Jugendlichen selbst die internationalen Begegnungen mit Gleichaltrigen aus anderen Ländern aufgefasst? Die Erfahrungsberichte geben Aufschluss darüber - dieser gehört zum Medien-Projekt „Informationen, Likes und Lügenpresse“ in Larissa. Von Louise Kleinheyer.

„Informationen, Likes und Lügenpresse“

Eine Gruppe Esten, Deutscher, Ungarn und Griechen stehen in einem stickigen Büro und wiegen sich  im Takt zu den knarzigen Klängen eines Plattenspielers, der John Lennons „Imagine“ spielt. Das klingt wie der Anfang eines schlechten Witzes, ist aber tatsächlich der vierte Programmpunkt unseres Medienprojekts in Griechenland, bei dem Jugendliche aus vier EU-Ländern zusammengekommen sind, um über Pressefreiheit, soziale Medien und Verantwortung zu sprechen.

Katarina, zuständig für die Musik im regionalen Zweig des griechischen Rundfunksenders ERT, zeigt uns das musikalische Archiv der Zentrale. Zu unserer großen Belustigung lässt sie uns Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren an einem auf uns antik wirkenden Plattenspieler herumspielen, das Abspieltempo verlangsamen oder erhöhen. Nur bei den Beatles dürfen wir das nicht. Die, sagt Katarina, sind heilig. Sie zeigt uns außerdem Platten, die teilweise zerkratzt oder überklebt sind, da sie der griechischen Militärdiktatur von 1967 bis 1974 nicht passten. Durch das Überkleben werden einzelne Lieder am Abspielen gehindert.

Es ist nicht das erste Beispiel von Zensur, von dem wir während unseres Projekts erfahren. Während einer Präsentation über Medien in unseren Ländern erzählen uns die ungarischen Teilnehmer, wie eingeschränkt die Oppositionsmedien in ihrem Land sind. Auch meine Zimmergenossin ist frustriert über die Situation in Ungarn. Sie erzählt mir von ihren älteren Verwandten, die nur die regierungsfreundlichen Zeitungen lesen und jede Kritik oder Diskussion umgehen.

Als wir den anderen die Webseiten einiger deutscher Boulevardblätter zeigen, kommt Gelächter auf. Knallige Überschriften, bearbeitete Bilder und leicht bekleidete Frauen: Auch wenn sie kein Deutsch verstehen, erkennen die anderen Teilnehmer sofort, um welchen Typ Medien es sich handelt.

Wir lernen auch einige ausländische Zeitungen kennen.

Die Esten sind eigentlich alle russischstämmig, und sie erklären, russische Medien haben auch in Estland großen Einfluss. Das Land besitzt nämlich eine große russische Minderheit, und sehr viele Medienplattformen veröffentlichen Artikel auf Estnisch, Russisch und Englisch. Eine estnische Teilnehmerin erzählt mir stolz, sie habe vor einigen Monaten ihre B1-Prüfung in Estnisch bestanden.

Mit ihr und einigen anderen gehen wir am ersten Tag, nach mehreren Kennenlern-Spielen, auf Erkundung in Larissa. Es ist eine schöne Stadt, mit viel Grün und Ampeln, die scheinbar eher als pädagogischer Orientierungswert gelten. Wir lernen Jason kennen, den Besitzer eines kleinen Shops. Er fragt uns tausend Fragen über unsere Länder. Als wir ihm erzählen, wie schön Griechenland sei, stutzt er. „Greece is beautiful if you've got money“, meint er nur, doch dann gibt er uns trotzdem viele Empfehlungen für Parks, Cafes und Spezialitäten. Schließlich, trotz heftigen Protests, schenkt er uns drei Flaschen Ouzo, lädt uns ein, jederzeit wiederzukommen, und verabschiedet sich.

Es gibt allerdings auch einige peinliche Momente während des Projekts. Als ein Barkeeper einer Teilnehmerin die dritte Runde Snacks und Getränke spendiert, möchte sie ihm ihre Nummer dalassen – ein Missverständnis, denn wie sich herausstellt, sind solche Kostproben hier nichts Ungewöhnliches.

Während des interkulturellen Abends, als es um den „typischen Deutschen“ geht, macht ein estnisches Mädchen den Hitlergruß – ein Scherz, für den sie sich hinterher bei uns entschuldigt, der uns aber natürlich trotzdem verstört. Insgesamt sind solche Vorfälle aber die Ausnahme.

Programmhighlights sind der Besuch eines Fernsehsenders in Larissa und das Schreiben von Artikeln für unsere eigene Website. Dazu beschäftigen wir uns vorher einen Tag mit Fragen rund ums Thema Medien – glücklicherweise tun wir das am sonnigen Strand von Volos. Und durch einige Spiele lernen wir, wie wir die Glaubwürdigkeit eines Titels eines Artikels überprüfen.

Katarina erzählt uns zum Schluss, dass vor einigen Jahren die griechische Regierung den staatlichen Sender ERT, für den sie arbeitet, geschlossen hat, da die EU-Partnerstaaten Sparmaßnahmen forderten. In den zwei Jahren, in denen der Sender geschlossen blieb, arbeitete sie weiter, ohne Bezahlung, wie so viele ihrer Kollegen. Warum? „At first, it was just anger. Protest. But then... You have to keep working, fighting. It is your responsibility.“

Verantwortung spielt heute eine immer größere Rolle in Medien. Als Leser tragen wir Verantwortung, uns zu informieren, zu hinterfragen und uns nicht nur innerhalb unserer medialen „Echokammer“ von Gleichgesinnten zu bewegen.

Auch wenn Objektivität in den Zeiten des Populismus immer wichtiger wird, sind informierte und logisch begründete Meinungen ein wichtiger Teil unserer Medienlandschaft.

Journalisten sind verantwortlich dafür, zu informieren, aber auch mit Kritik und Kommentaren das Meinungsbild des Lesers zu prägen.

Von Louise Kleinheyer