Seit 2016 trifft sich regelmäßig eine Gruppe von Kasselern, Kasselanern und Kasselänern im Stadtmuseum. In gemütlicher Kaffeerunde erzählen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ab 60 Jahren gegenseitig bei einer Tasse Kaffee ihre Erlebnisse: Geschichten aus dem eigenen Leben, Geschichten aus Kassel. Diese Erinnerungen werden dann auch schriftlich für gegenwärtige Interessierte und kommende Generationen festgehalten und auf unserer Website veröffentlicht.
Geschichten vom Erzähltreff
Die 50er Jahre
Lang, lang ist`s her, doch da fällt mir spontan ein, im Amerikahaus, erst im Murhardmuseum untergebracht, konnten wir kostenlos Bücher ausleihen. Märchen pur war die Krönung von Elisabeth in Farbe in allen Zeitschriften abgebildet. Selbst der Englischunterricht war nicht davon befreit. Wir waren die Kellerkinder in der Heinrich-Schütz-Schule, nämlich Schülerinnen der Jakob-Grimm-Schule, deren Gebäude im Krieg zerstört wurde. Als ich mit meiner Schulfreundin vor einigen Jahren an einer Führung in der Heinrich-Schütz-Schule teilnahm, gab es kaum zu glauben aber wahr, noch eine negative Bemerkung über die damaligen „Flüchtlinge“. 1955 war dann ein besonderes Jahr! Eröffnung der Documenta und der Bundesgartenschau.. Der Krieg schien vergessen - das Leben in Kassel pulsierte geradezu.(1967 zogen wir wegen des starken, gefährlichen Autoverkehrs vom Steinweg weg; auf Filmen noch zu sehen: alle paar Minuten ein Fahrzeug. Wie war der Verkehr wohl in 1955? In der Volksbühne gab es Schülerabonnements für das Theater. Spielort war das Vestibül und der blaue Saal in der Stadthalle. Ich denke, es waren 10 vergünstigte Aufführungen - Oper und Schauspiel gemischt. Ein Theaterbesuch war ein Ereignis, keine Selbstverständlichkeit, zu dem man sich natürlich chic anzog. Ich bedauere den heutigen „Zeitgeschmack“, wenn die Besucher in Jeans und Pullover der Vorstellung in der Oper das besondere Flair der Aufführung nehmen. Aber ich weiß, ich bin da hoffnungslos altmodisch. Trotz der widrigen Umstände war Kassel schon in der Zeit wieder ein Sprungbrett für die Schauspieler, -innen und Sänger, -innen. Leider konnte ich keine Unterlagen vom Theater über den Spielplan und das Ensemble von diesen Jahren bekommen. Erinnern kann ich mich an Joachim Böse als Nathan, Witta Pohl in Peterchens Mondfahrt und als Anne Frank, danach ging sie nach Hamburg. Martin Hirte, Hans Korte im kleinen Teehaus, Charlotte Kerr (ich meine im Kreidekreis), die spätere Ehefrau von Dürrenmatt. Als Sänger fällt mir namentlich nur Ernst Gutstein ein, der 53 - 54 in Kassel sang, danach in Düsseldorf und Frankfurt war und ab 1963 gehörte er zum Ensemble der Wiener Staatsoper. Wir hatten das Glück, fantastische Theatermitglieder erleben dürfen. Mit dem Neubau brach diese Ära ab, und so wie die alten Gebäude zum Teil abgerissen wurden - so scheint mir heute, wurde auch im Theater alles verändert oder erneuert. Die Documenta ließ Kassel zu einer Weltstadt werden. Henry Moore in der Orangerie - Picasso, Chagall, Marc - ….und und und im Fridericianum. Beide Standpunkte wurden im Krieg schwer beschädigt und von Paul Bode mit einfachen Mitteln als ideale Ausstellungsflächen hergerichtet. Es war für mich die eindrucksvollste Ausstellung. Zur Gartenschau in der Aue wurde der Trümmerschutt an der Schönen Aussicht als Hang aufgeschüttet und mit Rosen bepflanzt. Noch heute heißt dieser Hang Rosenhang. Es gab eine kleine Bummelbahn, die über das Gelände führ und eine Drahtseilbahn, mit der man zur Schönen Aussicht hinauffahren konnte. Dies alles direkt neben der bis dahin keineswegs wieder vollständig aufgebauten Innenstadt. Wenn ich heute zurückdenke, dies alles als völlig normal empfunden zu haben, kann ich das kaum glauben. Es war ein Jahr des absoluten Aufbruchs in eine neue Zeit. Ich durfte dabei sein.
Von Irmhild Hartmann
Ab 1963 gab es einen Lieblingsabend...
Ab 1963 gab es einen Lieblingsabend.....es war Donnerstag's, um 19.30 Uhr erklang die Stimme von Hans Verres aus einem Kofferradio. Er stellte und spielte Neuerscheinungen aus der Plattenwelt vor. Es standen zunächst die TOP 5 der Vorwoche und dann die Neuerscheinungen zur Wahl, abgestimmt wurde mittels Postkarte. Bis April 1964 war ich nur Zuhörerin, aber zur Konfirmation überraschte mein Opa mich mit einem Tonbandgerät der Marke GrundigTK (weitere Bezeichnung nicht mehr bekannt). Nun konnte ich meine Favoriten aufzeichnen, allerdings nur mit Hilfe eines Mikrophons . Hier war höchste Konzentration gefordert, wollte ich doch nur die Melodien auf dem Band aufnehmen, doch leider quatschte Hans Verres oft dazwischen oder die Tür ging auf und meine Mutti wollte mir etwas berichten. Trotzdem war ich selig, die aktuellsten Platten nun immer hören zu können. Ja und dann wollte ich nicht immer zurückspulen, um die Lieblingslieder mehrmals hintereinander zu hören. Auch hier wurde eine Lösung gefunden. Zweites Tonbandgerät musste her, wurde auch im Freundinnenkreis gefunden und schon wurde in unserem „Studio“ produziert,
„If you need me“ und „You better move on“ zig mal hintereinander gespielt trösteten die Rolling Stones über so manchen Liebeskummer hinweg, Heute erzählte ich meiner Freundin am Telefon von dieser Geschichte. Sie sagte ganz spontan: Vergiss nicht, zum Schluss sagte Hans Verres „und wenn Sie Freizeit haben, hüpfen Sie." Wer war's- wie geschah's- was war los. Nach der Schlagerbörse (20.30 Uhr) folgte Kriminalrat Obermoos, er erzählte eine Kriminalgeschichte, ohne die Lösung zu verraten. Es folgte eine Pause mit Musik, dann wurde der Fall endlich gelöst. Große Freude, wenn man den Täter selbst entlarvt hatte.
Von Monika Sprafke
Der Silvesterknaller am Herkules
Mit meiner Frau und zwei Kindern wohnte ich damals in Kassel Harleshausen. Die beiden Jungen im Alter von fünf und elf Jahren freuten sich schon tierisch auf die alljährliche Knallerei zu Silvester. Ich selbst stand dem Thema Feuerwerk kritisch gegenüber. Nach eigenen schlechten Erfahrungen kaufte ich schon seit Jahren keine Böller mehr. Neben dem Spaß bot die Knallerei auch ein hohes Maß an Gefahr. Für die Kinder war nicht nur das Zuschauen, sondern besonders das selber Abfeuern der Reiz an der Sache. Wir entschieden uns deshalb für den Kompromiss mit den Kindern: Zuschauen, aber nicht selbst Abfeuern. Bestimmt konnte man auf der Herkulesterrasse, mit einem weiten Blick auf Kassel und aus sicherer Entfernung, das Silvestergeschehen am besten verfolgen. Die Kinder wurden warm angezogen und ich selbst packte den Fotoapparat und ein Stativ ein. So fuhren wir mit dem Auto über Dörnberg und Ehlen von hinten zum bekannten Ausflugsziel der Stadt. Am Ehlener Kreuz erkannte ich den ganzen Umfang der Entscheidung. Wir waren nicht die Einzigen mit dieser tollen Idee. Wie ein beleuchteter Lindwurm schlängelte sich ein Autokorso, Stoßstange an Stoßstange, die Straße im Druseltal empor. Wir brauchten eine gefühlte Ewigkeit, bis wir nach links in Richtung Herkules einbiegen konnten. Die wenigen Parkplätze vor Ort waren schon lange belegt und die Fahrzeuge standen bereits rechts und links am Fahrbahnrand der Zufahrtsstraße. Ich drehte um, doch der große Wunsch der Kinder hinderte mich daran, sofort zurückzufahren. Deshalb standen auch wir am Seitenstreifen kurz vor einem Graben. Ein Fußmarsch von mehr als einem Kilometer bergauf stand uns bevor. Die Kinder und meine Frau waren wenig begeistert. Oben angekommen trafen wir die Ansammlung mehrerer hundert Menschen dicht gedrängt um das Oktogon. An ein Durchkommen zur Terrassenkante und einen Blick auf die erleuchtete Stadt war nicht zu denken. Schließlich war es 24 Uhr, das Neue Jahr wurde mit viel Prosit und Gegröle eingeläutet. Zeitgleich zündeten rings um uns die Böller und Raketen. Auf die Sicherheitsabstände wurde keine Rücksicht genommen. Man fühlte sich wie an vorderster Front im Krieg. Überall krachte es, Wunderkerzen versprühten Feuer und Funken, ringsum schossen Raketen unter begeisterten „Ahs“ und „Ohs“ hoch, aber auch horizontal über die Menschenmenge. Der Lärm war, verstärkt durch den Schall in den Gewölben des Herkules, ohrenbetäubend. Meine Frau geriet in Panik und der jüngste Sohn fing verschreckt an zu weinen. Wir ergriffen die Flucht zurück zum Auto. Zum Glück konnte ich den Wagen aus der engen Parklücke lenken und fortfahren. Ein anderer Kleinbusfahrer hinter uns hatte nicht so viel Glück, er rutschte beim Wenden in den Graben, aus dem er ohne fremde Hilfe bestimmt nicht heraus gekommen ist. Für uns war das ein lehrreiches Silvestergeschehen. Zum Herkules sind wir noch öfter gefahren, aber nie mehr am 31.Dezember.
Von Erhard Schaeffer
Kontakt, Öffnungszeiten, Eintrittspreise
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34117 Kassel
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Hinweis
Eintritt
Eintrittspreise
Erwachsene | 4 Euro |
ermäßigt* | 3 Euro |
freier Eintritt | Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre, Mitglieder des Vereins Freunde des Stadtmuseums Kassel e. V., Mitglieder des Bundesverbandes der Gästeführer Deutschlands, Inhaber von ICOM-Karte, Museumsbund-Karte, Kulturticket und MeineCard+ |
Gruppen ab 10 Personen | 3 Euro pro Person |
Schwerbehinderte | 2 Euro pro Person - gilt für Gruppen ab vier Personen für Schwerbehinderte und ihre Begleitpersonen |