19. Mai 1933: Bücherverbrennung in Kassel

Es war eine verstörende Szenerie, und es war weiteres Unheil verkündend, was sich 1933 auf dem Friedrichsplatz in Kassel abspielte: Am späten Abend des 19. Mai zogen SA- und SS-Gruppen musizierend auf und stellten sich um einen Scheiterhaufen aus Büchern.

Größtes temporäres Mahnmal an die Bücherverbrennung auf dem Friedrichsplatz und alle Bücherverbote weltweit: Marta Minujíns Kunstwerk The Parthenon of Books, bestehend aus gut 100.000 verbotenen Büchern und gezeigt bei der documenta 14 im Jahr 2017.

Von 30.000 Zuschauerinnen und Zuschauern schrieben die Zeitungen damals. "Und all diese Menschen ließen es nicht nur geschehen, sie waren großenteils sogar begeistert, dass große Literatinnen und Literaten ihrer Zeit in dieser Weise diffamiert wurden - darunter beispielsweise Nelly Sachs, Erich Kästner oder der Nobelpreisträger von 1929, Thomas Mann", so Bürgermeisterin Ilona Friedrich anlässlich des Gedenkens 2021. Dabei wird auch vier verfemter Kasseler Autoren gedacht: Siegmund Dispeker, Richard Hauschildt, Paul Heidelbach und Carl Mertens. Auch diese vier hatten durch ihre Schriften den Zorn der Nationalsozialisten auf sich gezogen. 

Landesweit gab es 1933 über mehrere Wochen hinweg unter der Überschrift „Wider den undeutschen Geist“ 70 groß inszenierte Bücherverbrennungen, darunter am 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz in Berlin mit Propagandaminister und Nazi-Chefhetzer Goebbels. Die Diktatur duldete nur ihre Sicht. Was nicht ins Bild der Propaganda passte, musste zum Schweigen gebracht werden. Die Ereignisse damals markierten das endgültige Ende der Meinungsfreiheit im nationalsozialistischen Deutschland. Sie war ein Schritt in Richtung Weltkrieg und Holocaust.
Die als gebrandmarkten Verfasserinnen und Verfasser wurden verfolgt, und viele mussten fliehen und emigrieren. Viele Namen  verschwanden damals für lange Zeit oder sogar für immer aus dem öffentlichen Bewusstsein.  Es sollte sich bewahrheiten, was Heinrich Heine einmal so formuliert hatte: "Das war ein Vorspiel nur! Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen."

"Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten..." (Artikel 5 des Grundgesetzes)

Auch im Blick auf die Meinungsfreiheit haben die Väter und Mütter des Grundgesetzes die Lehren aus der Diktatur gezogen: Sie ist eine so wichtige Säule der Demokratie, dass sie in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ein unveräußerliches Grundrecht geworden ist. In Artikel 5 GG, Absatz 1, heißt es: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.

Jährliches Gedenken in Kassel

In Kassel wird seit 2006 jährlich auf andere Weise der Bücherverbrennung am 19. Mai gedacht. Die Initiative kam aus dem SPD-Ortsverein Altkassel-Bettenhausen. Kooperationspartner waren und sind die Deutsch-Israelische Gesellschaft in Kassel, die Gedenkstätte Breitenau und die vhs.